Pharaonisches Projekt im gentrifizierten Raum
Die gigantische und teure A5-Westast- Umfahrung soll Biel und Nidau zwischen Stadt und See verschandeln und alibimässig mit Grünzonen und Langsamverkehr umgeben werden. Die Begleitplanung will eine schlimme Bausünde und eine zügige Gentrifizierung der Stadt verschleiern.
Mehrwertabschöpfung durch Verdichtung, einmalige Chance für eine städtebauliche Aufwertung und Durchmischung, Abschöpfen von Geldern von Kanton und Bund für die Begleitmassnahmen A5-Westast in Nidau und Biel: Erich Fehr, SP-Stadtpräsident von Biel, liebt es, sein Credo selbstbewusst zu verbreiten. Kommt dann als Einwand, der Westast sei ein unverhältnismässiges, pharaonisches Bauwerk im Geist des wirtschaftlichen Aufbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg, kann er ungehalten bis autoritär reagieren und sagen, die Autobahn sei unter dem Boden, das sei ein anderes Projekt und die einzige Lösung, angepackt werden müsse jetzt die Begleitplanung.
Verharmlost und verniedlicht
Diese Planung, jetzt während der Mitwirkungsfrist in einer Ausstellung in der ehemaligen Buchhandlung Lüthi in Biel zu besichtigen, entwirft ein idyllisches Bild der Zukunft des Nidauer Weidteile-Quartiers, der jetzigen leistungsfähigen zweispurigen Nationalstrasse, der Bernstrasse, und der Bieler Seevorstadt: Viele Bäume und Erholungsräume, Langsamverkehr, Velos, Fussgänger, grüne Verbindung von Stadt und See, von Biel und Nidau … Auf den farbigen Skizzen und den beiden Reliefs in der Ausstellung sieht das auch ganz schön aus. Aber verharmlost, verniedlicht, farb- und fast konturlos an den Rand gedrängt ist das, was vom A5-Westast oberirdisch zu sehen ist: Zwischen Biel und Nidau ein immenser vierspuriger Autobahnanschluss und in Biel zwei riesige Löcher, unter denen die Autobahn verläuft – Lärm und Abgase grüssen das eingebildete Paradies.
Opfer für den Mobilitätsgott
Das eine Autobahnloch beim Bahnhof „Bienne Centre“ ist alles andere als niedlich und harmlos: 14 Meter tief und so gross wie die Altstadt von Nidau. Eingeklemmt zwischen Naherholungsgebiet Strandboden und Naturschutzgebiet Felseck klafft ein weiteres riesiges Loch, das mit einer Brücke und Bäumen kaschiert werden und die Stadt und den See verbinden soll. Für die Begleitplanung sollen auf dem Strandboden 200 Bäume gefällt werden, ein Teil des Felseck soll dem Loch zum Opfer fallen. Für den A5-Westast werden siebzig Häuser abgerissen und dem Mobilitätsgott geopfert werden. 2,2 Milliarden sind für das megalomane Bauwerk budgetiert, die schweizweit teuersten 6,7 Autobahn-Kilometer mit zwei Anschlüssen sind projektiert; drei Anschlüsse hat bereits der fast fertiggestellte A5-Ostast. Von den A5-Tunnels in der Grenchner Witi wissen wir, wie teuer es ist, neben einem Gewässer im Grundwasser zu bauen und die Abdichtung dann auch über die Jahrzehnte zu unterhalten. Dazu kommt noch teilweise felsiger Grund.
Angst und Auto-Freiheit
Die Befürworter dieses Verhältnisblödsinns behaupten fantastische Zunahmequoten für den Strassenverkehr, natürlich bei gleichzeitiger Schwächung des ÖV. Mit dem kürzlich an der Urne angenommenen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehr- Fonds NAF, der über massiv mehr Mittel verfügt als der Bahnfonds Fabi, können solche Szenarien Realität werden. Natürlich geht es auch ganz klar um Gentrifizierung. Der obere Mittelstand in Evilard, Vinelz oder in der zukünftigen exklusiven, grün angehauchten Agglolac-Überbauung auf dem ehemaligen Arteplage- Gelände will mit dem Schlitten vom privaten Parkhaus reibungslos vierspurig in die Stadt und ins Shoppi auf der grünen Wiese gondeln. Auch viele Auto fahrende „kleine Leute“, denen Angst vor Staus gemacht wird und die mit der Auto-Freiheit gegängelt werden, sind einverstanden mit dem Ausbau von Umfahrungen und Autobahnen.
Weitere jetzt stark befahrene Achsen wie Bözingenstrasse- Kanalgasse-Seevorstadt oder Madretsch-strasse-Mettstrasse werden – im faktenfreien Neusprech der neoliberalen Städteaufmischer «aufgewertet» und «durchmischt». «Selbstzahler» sollen in die aufgemotzten und verkehrsberuhigten Stadtquartiere ziehen und die vielen, die die exorbitanten Mieten nicht mehr bezahlen können, in Aussenquartiere oder Landgemeinden verdrängen.
VCS macht Einsprache
Eine Abstimmung über den Westast gibt es nicht, es ist nur möglich, der Strassenlobby den Geldhahn mit einem Nein zum NAF etwas zuzudrehen. Rekursmöglichkeiten gibt es nur für handverlesene Private und Organisationen sowie ein unverbindliches Mitwirkungsverfahren. Der VCS Biel bereitet eine Einsprache vor, die er wenn nötig bis zum Bundesgericht weiterziehen will, um Zeit zu gewinnen. Weit über tausend BürgerInnen sind Mitglied beim Komitee Westast so nicht (Wasn) und eine Gruppe engagiert sich aktiv dagegen, die PdA Biel/PoP Bienne ist als einzige Partei strikt dagegen und will die Förderung von Verkehrszunahme, Betonierung und Gentrifizierung nicht hinnehmen. Während Gentrifizierer Erich Fehr bis zum Baubeginn 2020 auf Einsicht bei der Bevölkerung in seine monströsen Pläne hofft, hoffen Wasn, PdA und VCS, dass mit der Zeit die Erkenntnis wächst, dass es so nicht geht.
Damian Bugmann, erschienen im Vorwärts Nr. 3/4.17