Gedanken zur Vaterschaftsurlaub-Initiative von Judith Schmid
Die Schweiz ist am Ende – genauer gesagt auf dem unrühmlichen zweitletzten Rang aller europäischen Länder in der Statistik der finanzierten Erziehungszeit. Schlicht ein Skandal. Das sehen auch die InitiantInnen der Vaterschaftsurlaub-Initiative so. Ihre Forderung: 20 Tage bezahlter Urlaub für Väter, flexibel einlösbar im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes.
Ich werde die Vorlage ablehnen, habe ich vor einem Jahr noch gesagt. Denn mit Verlaub: 20 Tagen Vaterschaftsurlaub werden die starren Rollenverteilung, die unserer patriarchalen Gesellschaft immer noch beherrscht, nie und nimmer auflösen. Und eine Annahme der Initiative würde weitere Forderungen zu einer wahren gleichberechtigten Lösung um Jahre verschieben. 20-Tage – das ist doch bereits ein schlechter Kompromiss!
Der Bundesrat aber sieht das anders: Er findet, dass ein gesetzlich geregelter freier Tag genüge für die frischgebackenen Väter und setzt das Kinderkriegen für die Männer auf gleiche Stufe wie einen Wohnungswechsel. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab – ohne Gegenvorschlag. Sie sei zu teuer, zu wirtschaftsfeindlich, nicht nachhaltig. Die Regierung setzt dafür auf die Verantwortung der ArbeitgeberInnen und der SozialpartnerInnen. Priorität will sie dem Ausbau des Fremdbetreuungsangebotes einräumen – und lehnt nur ein halbes Jahr später die Verlängerung des Impulsprogramms zur Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen ab.
Auch die FDP ist gegen die Initiative. Auf ihrer Website wirbt sie für das Konzept ihres Gegenvorschlags, illustriert mit einem Bild von einem schlafenden Kleinkind auf den Armen eines jungen, modernen Papis im Homeoffice. Die FDP schaffte es die Minimalforderung der Initiative soweit zu verwursteln, dass ihr Vorschlag schliesslich dem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über den Mutterschutz, das die Schweiz unterzeichnet hat, widerspricht. Dort sind 14 Wochen für die Frauen direkt nach der Geburt vorgeschrieben. Die mitte-rechts Partei will nun diese 14 auf 16 Wochen erhöhen, acht davon sollen weiterhin den Frauen gehören, der Rest kann flexibel aufgeteilt werden. Vaterschaftsurlaub auf Kosten der Mütter – wie progressiv!
Nun hat auch die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates die Beratung über einen möglichen indirekten Gegenentwurf aufgenommen. Es wird ein Kompromiss des Kompromisses sein. Mehr als warme Luft dürfen wir uns wohl nicht erhoffen.
In meinen Augen wäre die minimalste gangbare Lösung 14 Woche Mutterschaftszeit, 14 Wochen Vaterschaftzeit – inklusive die Streichung des Begriffes Urlaub. Das wäre ehrlich, gleichberechtigt und damit würden wir uns im europäischen Mittelfeld bewegen, was dafürspricht, dass sich die reiche Schweiz sich eine solche Regelung auf jeden Fall leisten könnte. Ob wir darauf bis ins Jahr 2071 warten müssen?
PS: Natürlich werde ich Ja zur Initiative stimmen.