NEUES BÜPF UMMÜPFEN – AUCH NDG UND DERGLEICHEN!

Momentan befindet sich das Referendum gegen die Revision des Bundesgesetzes betreffend Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) in der Sammelphase. Das gegen das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) ist zustande gekommen und kommt bald zur Abstimmung. Dabei handelt es sich um Vorlagen, die es in sich haben.

Als im Jahre 1989 in der Schweiz 900’000 (!) Fichen (schw. für Akten, Dossiers) von mehrheitlich unbescholtenen BürgerInnen zum Vorschein kamen, fielen alle aus den Wolken. Es scheint eine Konstante in der jüngeren schweizerischen Geschichte zu sein, dass immer alle von nichts gewusst hatten. Der Skandal damals dauerte nicht lange an. Die Initiative „Schweiz ohne Schnüffelpolizei“, gleich im Anschluss gestartet und 1991 eingereicht, kam erst Ende 1998 zur Abstimmung und wurde auch deswegen verworfen. Die Empörungshalbwertzeit ist heute viel kürzer geworden.

Und als 2013 Edward Snowden die Überwachungstätigkeit des Auslandgeheimdienstes der Amis aufdeckte (Prism), welche die ganze Welt betraf – auch deren sogenannte „FreundInnen“ wie Angela Merkel –, wollte wieder niemand etwas gewusst haben vom Überwachungsmoloch Echelon der USA und ihrer Vasallenstaaten (um die Jahrtausendwende ein Thema), von den Spionageeinrichtungen in Zimmerwald (Satellitenüberwachungssystem Onyx) des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) etc.

Die technischen Möglichkeiten sind heute viel grösser, die nun mittels diversen Gesetzesrevisionen nicht nur angepasst, sondern ausgenutzt und ausgebaut werden sollen und stellen alles bisher dagewesene in den Schatten. Daher ist es so wichtig, die Revision des Bundesgesetzes betreffend Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) und das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) zu bekämpfen!

Vorgeschichte
War die Schweiz nach den liberalen Revolutionen von 1830/32 und 1848 noch ein Hort für politische Flüchtlinge, wo Protagonisten der gescheiterten liberalen Revolutionen in Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Russland usw. Zuflucht fanden, begann die politische Polizei ab der folgenden Jahrhundertwende AnarchistInnen, Gewerkschafter, SozialistInnen, KommunistInnen und politische Flüchtlinge, später auch AKW-GegnerInnen, Hippies, Alternative usw. zu überwachen. 1937 wurden zuerst starke westschweizer Sektionen der Kommunistischen Partei und 1939 dann die Zeitung (die „Freiheit“, wie der „vorwärts“ damals hiess) verboten, bevor 1940 die ganze KPS dieses Schicksal ereilte. Doch bald einmal nach der Wiederzulassung der Partei als Föderation der Parteien der Arbeit setzte der Kalte Krieg ein und die Überwachung nahm ein bislang nie dagewesenes Ausmass an. Bis 1988 die Affäre Kopp kam, wo Bundesrätin Elisabeth ihren Mann Hans W. durch Insiderinformationen vor Untersuchungen wegen Steuerhinterziehung schützen wollte. Durch die vom späteren Bundesrat Moritz Leuenberger angeführte Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) kamen Fichen von über 700’000 Leuten und Organisationen hervor. Eine weitere PUK hat dann noch eine Geheimarmee gefunden, P-26 (und einen dazugehörigen Nachrichtendienst P-27), welche sich wohl faschistischen Terrors bedient hätte bei einer sozialistischen Revolution o.ä., wie es z.B. die Nato-Stay-Behind-Armee Gladio in Italien machte.

Lüpf‘ das Büpf
Seit nunmehr zwei Jahren versuchten National- und Ständerat und Bundesrätin Sommaruga verkrampft, das Büpf zu ändern. Dabei sollen Trojaner (kleine unentdeckte schädliche Spionageprogramme) des Bundes erlaubt werden (auch GovWare genannt), wie dies z.B. schon in Deutschland mit dem Bundestrojaner der Fall ist. Ebenso soll die Vorratsdatenspeicherung, die man vom dortigen damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble kennt, von 6 auf 12 Monate erhöht werden. Das heisst, dass alle Telecomanbieter (Festnetz, Internet, Natel), Internetprovider und Wlan-Hotspot-Anbieter (auch Schulen, öV, Restaurants etc.) die Verbindungsdaten (z.B. wer wann welche Webseite aufruft und was herunterlädt, auch Metadaten genannt) solange aufbewahren müssen, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können. Diese Dauer bleibt zwar jetzt bei 6 Monaten, jedoch mit mehr Daten wie Verbindungsversuche, Abodaten wie Geburtstag etc., die gesammelt werden müssen. Zudem handelt es sich wieder nur um eine Mindestdauer. Des weiteren kommen neben Trojanern neu auch IMSI-Catcher zum Zuge, mit welchen die eindeutige Identifikationsnummer (IMSI) der BenutzerInnen ausgelesen und der ganze Handyverkehr (zum Bsp. an Demos) lokal abgefangen, beeinflusst und lahmgelegt werden kann, Bewegungsprofile erstellt werden können etc. Auch Auslesung des ganzen Datenstroms ist neu möglich.
Wegen diesen Verschärfungen wurde von einem breiten Komitee mit Organisationen aus der Netzgemeinde, Grundrechte.ch, linken Parteien, Piratenpartei, Jungparteien aller Couleur, VertreterInnen aus der Branche und einzelnen Politikern von links und rechts das Referendum ergriffen. Die Frist läuft gerade und dauert noch bis zum 7.7.

NDG niederringen!
Das Büpf stellt die Grundlage dar für das neue NDG, wo das Referendum schon steht und welches voraussichtlich am 25. September 2016 zur Abstimmung kommt. Hier sollen Kabelaufklärung à la NSA, Einbruch zur Datenbeschaffung, Trojaner, Abhören mittels technischer Hilfsmittel wie Drohnen, Wanzen, Richtmikrophonen etc. möglich werden. Zudem wird der ganze Datenverkehr (E-Mails, SMS, „soziale“ Netzwerke etc.) in Echtzeit nach bestimmten Kriterien überwacht. Dieses Gesetz kam entgegen aller Erwartungen noch vor dem Büpf zustande, weil die Differenzen kleiner und der Widerstand weniger breit war. Hier waren die bürgerlichen Akteure nicht dabei, die PdA Schweiz mangels Ressourcen auch nicht, jedoch die PdA Bern, POP-Sektionen aus der Westschweiz und die Kommunistische Partei der italienischen Schweiz engagierten sich, sammelten Unterschriften, spendeten Geld. Die JungsozialistInnen (Juso) trugen die Hauptlast und ohne sie wäre es auch nicht zustande gekommen, doch diente es Fabian Molina, dem nunmehr ehemaligen Präsidenten der Jugendorganisation – bereit für Höheres –, auch als Profilierungsfeld. Eigentlich war es die Idee, dass es ein linkes Komitee gegen das Büpf geben müsse, welches dann das Referendum gegen das NDG ins Laufen brachte. Doch das linke Komitee kam dann nicht, weil die Juso schon alle Ressourcen verbraten hatte. Stattdessen gibt es nun leider, von dieser verqueren Strategie aufgeschreckt, gegen das Büpf zwar kein linkes Komitee – was für die Phase des Abstimmungskampfes sicher von Vorteil gewesen wäre, um das Sommaruga-Gesetz zu bodigen (ähnlich wie bei der Gripen-Abstimmung, als es auch zwei Komitees gab und die Abstimmung schliesslich gewonnen wurde) – dafür nun ein bürgerliches Komitee schon in der Sammelphase, zusammengesetzt aus den bürgerlichen Jungparteien (alle ausser jCVP, aber inkl. jungen Grünliberalen) und Swico, einem Wirtschaftsverband der ICT-Branche (Informations-, Kommunikations- und Telecombranche), der auch das Rücknahmesystem von gebrauchten Elektronikgeräten mittels der vorgezogenen Recyclinggebühr (vRG) in der Schweiz macht. Ihnen sind v.a. die hohen Kosten ein Dorn im Auge, die bei den ICT-Anbietern die ganze Datensammlerei auf Vorrat verursachen würde. Die Webseite unten bezieht sich natürlich auf das breite Komitee von allen, wo wir auch dabei sind.

Bedenken?
Gegen blöde Argumente, wie „Ich hab‘ doch nichts zu verbergen!“, kann gesagt werden, dass der Staatsschutz eben doch was findet, sonst würde er nicht suchen. Wer sucht, der findet, wenn auch nicht das, wonach er suchte und es vielleicht auch erst in Zukunft relevant für ihn wird, wenn die demokratischen und Menschenrechte noch mehr eingeschränkt werden. Die Daten lassen sich auch gut analysieren, verkaufen etc.: Wenn Telecomunternehmen schon sammeln müssen, werden sie die Daten auch für sich auswerten.

Wenn mehr Leute überwacht werden, steigert das die Sicherheit nicht, sie wird eher gemindert, weil die Datenflut grösser wird. Sowohl die Charlie-Hebdo-Täter wie auch jene kürzlich in Brüssel waren bekannt und wurden z.T. auch überwacht. Trotzdem konnten die Anschläge nicht verhindert werden. Auch ein Sicherheitsrisiko ist das durch das NDG möglich werdende Eindringen in fremde Computer und Netzwerke, da es auch im Ausland möglich sein soll. Das wird Gegenreaktionen hervorrufen, die selbst ein grosses Sicherheitsrisiko darstellen, da die Schweiz ein kleiner Fisch ist und leichter angreifbar ist als die Angegriffenen.

Wachsam bleiben…
Es ist nötig, beide Vorlagen vehement zu bekämpfen, und auch weitere Tendenzen im Auge zu behalten. Ein ehemaliger sog. Staatsschützer, Adrian Lobsiger, wurde eben vom Nationalrat zum Nachfolger von Hanspeter Thür als eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB) gekürt. Blöd! Er wird im alten Amt wohl kaum ein Maulwurf gewesen sein, sondern ist es im neuen Amt und gehört schnellstens wieder weg. Schon vorher wurde die Stelle kleingehalten, jetzt ist sie unterlaufen und hat seither gemäss Website und Twitter nichts mehr gemacht. George Orwells 1984 droht nicht nur, nein, wir sind schon mittendrin, viel weiter, und merken es zum Teil nicht mal. Das Bewusstsein ist eher gesunken, zum Beispiel gibt es die Big Brother Awards in der Schweiz (im Gegensatz zu D’land und Österreich) leider nicht mehr, mit welchem Überwachungstätigkeiten mittels eines (negativen) Preises ausgezeichnet wurden. Über die Gegenaufklärung von WikiLeaks redet heute auch praktisch kaum mehr jemand, über die Luxemburg-Leaks, Swiss-Leaks (Hervé Falciani) noch weniger, und die Panama Papers werden wohl auch bald nicht mehr das Papier wert sein und alles läuft wieder so wie vorher – business as usual. Setzen wir dagegen ein Zeichen!

weitere Infos zu beiden Vorlagen: https://stopbuepf.ch/
www.schnueffelstaat.ch