Vor nunmehr 45 Jahren stand dem Vorschlag der Partei der Arbeit für eine umfassende AHV im Sinn einer echten Volkspension in der Volksabstimmung das Modell der obligatorischen 2. Säule gegenüber. Nicht nur die traditionellen Fans von privat-egoistischen Lösungen für gesellschaftliche Bedürfnisse legten sich da ins Zeug für das Kapitaldeckungsverfahren der Pensionskassen, sondern auch die sozialdemokratische Linke und die Gewerkschaften liessen sich grossmehrheitlich durch die Renditeversprechen der 2. Säule blenden. Unter diesen Umständen und in einem gesellschaftlichen Klima von sozialpartnerschaftlich geteiltem und gepflegtem Antikommunismus konnte es nicht verwundern, dass die Volkspensions-Initiative der PdA in der Volksabstimmung vom 3. Dezember 1972 keine Chance haben konnte, keine Alternative aufzeigen durfte.
Das Obligatorium für die 2. Säule wurde eingeführt. Und Milliarden über Milliarden von den Lohnbestandteilen der Lohnabhängigen wurden von den Pensionskassen investiert – und dies am lukrativsten in Unternehmen, welche die Ressourcen der ärmsten Länder plündern, in die Produktion von Rüstungs- und Kriegsgütern, in die Mieten treibende Spekulation mit Immobilien. Überflüssig die Frage, wer die Zeche zu bezahlen hat. Ganz einfach Business as usual.
Dann hätten wir es also bei der 2. Säule mit einer echten finanzkapitalistischen Erfolgsstory zu tun? Denkste! Die Rendite auf dem „Zwangssparkapital“ der Lohnabhängigen fiel in den Keller. Der Umrechnungssatz für die Renten kennt nur noch eine Richtung: die nach unten. Zig Pensionskassen mussten schon auf dem Buckel der Lohnabhängigen „saniert“ werden. Und ein Morgenrot ist unter dem Deckel der Negativzinsen nicht auszumachen. Die Zeichen stünden gut – für ein Umdenken.
Das „Rentenreformprojekt“ von Bundesrat Berset hätte der Linken in diesem Land einen Tritt versetzen können. Es hätte eine gemeinsame solidarische Antwort provozieren können, provozieren müssen. Absenkung des Umwandlungssatzes, Anhebung der Mehrwertsteuer zu Lasten der Konsumentinnen und Konsumenten, Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen auf 65 Jahre – dafür gibt es einen Begriff: Klassenkampf von oben!
Und was kommt der sozialdemokratischen Linken und grossen Teilen der Gewerkschaften dabei in den Sinn? Kröten schlucken! Peinlich entlarvend kommt da die Kröte der Anhebung des AHV-Alters für Frauen daher. Keinen Biss zu haben für die längst fällige Durchsetzung der in der Verfassung verbrieften Lohngleichheit, aber kläglich einzubrechen beim Angriff auf das Renteneintrittsalter für Frauen – das ist nur noch erbärmlich. Die Unternehmer werden sich dieses Trauerspiel der würgenden Gewerkschaften genüsslich angeschaut haben und sie werden nicht zögern weitere Kotzbrocken nachzuliefern.
Die Geschichte wiederholt sich nicht. Sollte man zumindest glauben. 45 Jahre genügen aber ganz offensichtlich nicht, um den Mythos des so lukrativen wie sicheren Vorsorgemodells der Pensionskassen in den Reihen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften im Ansatz zu entzaubern. Es wird Zeit, dass endlich die Lehren aus dieser traurigen Geschichte gezogen werden. Es wird Zeit für das Projekt einer AHV, das allen ein würdiges und sicheres Leben nach der Pensionierung garantiert. Es ist Zeit für eine echte Volkspension!
Rolf Zbinden, PdA/POP Biel/Bienne